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Vom Handwerker zum Lebenshelfer

Quereinsteiger lieben ihre neue Arbeit in Wohnheimen der Lebenshilfe
Berufseinstieg
Veröffentlicht am 09.11.2021
Jessica Stolpmann mit Jürgen E. im Garten des Wohnheims 1.

Jessica Stolpmann (28) ist Maler- und Lackiererin, Paul Rauch (37) gelernter Maurer. Menschen mit Behinderung waren für sie nie ein Problem, aber eigentlich auch kein Thema. Mit ihnen zu arbeiten schon gar nicht. Über Umwege sind die beiden Handwerker zur Lebenshilfe Landsberg gekommen, erschnupperten sich die Arbeit im Wohnheim – und blieben. Denn: „Es macht einfach total Spaß“, sagen sie.

Früher ging es den beiden wie vielen ihrer Handwerkskollegen: Sie fanden es gut, dass Menschen im sozialen Bereich arbeiten, dachten aber, für sie wäre das nichts. Bis sie die Arbeit selbst erlebten. Jessica Stolpmann über einen Besuch bei ihrer Mutter in einem Wohnheim der Lebenshilfe und Paul Rauch über den Zivildienst.

Dieser fehlt uns sehr, erklärt Jasmin Knabel, stellvertretende Leiterin des Bereichs Wohnen bei der Lebenshilfe. Denn seit es keine „Zivis“ mehr gibt, kommen kaum mehr Männer in Kontakt mit sozialen Berufen. Paul Rauch fände deshalb ein verpflichtendes soziales Jahr für alle jungen Menschen sinnvoll.

Er merkte schnell, dass ihm die Arbeit mit besonderen Menschen liegt und machte mit Anfang 20 seine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger. Ihm gefällt der direkte, persönliche und menschliche Umgang mit Kollegen und Vorgesetzten, durch den „die Stärken des Einzelnen viel besser rauskommen“. Vor allem aber liebt er den Umgang mit den Bewohnern aus dem Haus 7, ihre Zufriedenheit, ihr Lachen. „Da kann man sich so viel abschauen“, sagt Paul Rauch.

Jessica Stolpmann geht es genauso: „Die Menschen freuen sich so, wenn ich in den Dienst komme. Das gibt mir viel Zufriedenheit“. Für sie ist das Wohnheim 1 „wie eine Zweitfamilie“. Der Schicht- und Wochenenddienst sei anfangs zwar gewöhnungsbedürftig gewesen. Aber inzwischen kann sie sich regelmäßige Arbeitszeiten gar nicht mehr vorstellen. „Mein Wochenende ist dann halt Montag oder Dienstag“, ergänzt Paul Rauch.

Die Arbeit im Wohnheim sei zwar auch mal „stressig“, so der gelernte Maurer. Aber eben auf eine andere Art. Und außerdem überwiege die Freude – auch den im Vergleich zu Handwerk und Industrie geringeren Verdienst. Der Vorteil für Quereinsteiger sei auf jeden Fall, dass sie auch im Anerkennungsjahr bereits als Hilfskräfte bezahlt und von den Kollegen gut eingearbeitet werden, so Jasmin Knabel. Dazu kommt die Möglichkeit der berufsbegleitenden Ausbildung.

Jessica Stolpmann etwa hat den Heilerziehungspflegehelfer über die Lebenshilfe Landsberg gemacht und will noch den Heilerziehungspfleger draufsetzen. Sie ist wie Paul Rauch der Ansicht, dass eigentlich jeder im sozialen Bereich arbeiten kann. Flexibilität sei wichtig, ein bisschen Geduld, Gelassenheit und Weitsicht. Vor allem aber müsse man „offen und einfach nur du selbst sein“, betont sie.

Ihren Wechsel vom Handwerk ins Soziale haben Paul Rauch und Jessica Stolpmann auch nach elf beziehungsweise sieben Jahren bei der Lebenshilfe nicht bereut. Ganz im Gegenteil, sagt Jessica Stolpmann: „Ich kann es jedem nur empfehlen und hab auch schon eine frühere Arbeitskollegin zu uns gebracht.“ Und auch die Lebenshilfe ist froh über Quereinsteiger. Denn: „Jeder bringt seine Erfahrungen mit ein“, freut sich Jasmin Knabel.